Am Rücken liegen und sich frei bewegen

Sollen junge Babies auf den Bauch gelegt werden, wenn sie selbst sich noch nicht auf den Bauch drehen können? Diese Frage bekomme ich immer wieder von Eltern gestellt, auch weil der Kinderarzt sie dazu anhält, Ihr Baby – zumindest einige Male am Tag – auf den Bauch zu legen. Die Antwort der Pikler-Pädagogik hierzu ist eindeutig. Warum es nicht notwendig ist, der Entwicklung und dem Tempo des Kindes vorzugreifen, möchte ich in diesem Beitrag erörtern.

Wenn ein Baby am Rücken liegt, liegt es in einer entspannten Position mit ausreichender Auflagefläche.
Bei einem neugeborenen Baby ist der Rücken noch gekrümmt, die Beine sind angezogen und in der Luft, doch mit den ersten Wochen und Monaten gelingt es dem Säugling in Rückenlage das Gleichgewicht zu finden. Der Rücken liegt dann satt auf der Unterlage und die Fußsohlen werden immer näher und konstanter auf dem Boden platziert – eine Voraussetzung für das spätere Abstemmen um sich auf die Seite und in weiterer Folge auf den Bauch drehen zu können.

In der Rückenlage kann das Baby den Kopf ungehindert von einer Seite zur andern bewegen und so im Raum herumschauen. Dies ist eine sehr bedeutsame geistige Tätigkeit eines jungen Babys. Sollte es eine Seite bevorzugen, was in den ersten Wochen häufig vorkommt, kann man das Baby im Bett so platzieren, dass Licht und Ansprache auch von der anderen Seite kommen. Das Baby benötigt auch keinen Kopfpolster und eine eher harte Matratze, ansonsten wäre der Kopf wie einzementiert und nicht oder nur sehr schwer zu drehen.

In der Rückenlage kann das Baby ungehindert strampeln und die Beine und Füße in alle Richtungen bewegen. Durch das Strampeln wird die optimale Ausformung der Hüftpfanne stimuliert und so die gesunde Entwicklung der Hüftgelenke gefördert.

Besonders wichtig ist die freie Beweglichkeit der Arme und Hände. Es ist von großer Bedeutung, dass das Kind seine Hände vor seinen Augen entdecken, zum Mund und in weiterer Folge vor dem Körper zusammenführen kann. Diese kognitive Leistung ist unabdingbar für das zukünftige Hantieren mit Gegenständen.

Ein Baby in Rückenlage kann sehen, wer an sein Bettchen tritt und es anspricht und herausnimmt. Das ist mit Sicherheit eine angenehmere Erfahrung, wie rücklings angefasst und hochgehoben zu werden.

Wird ein Baby vorzeitig auf den Bauch gelegt kann es den Kopf nur minimal und nur unter größter Anstrengung vom Boden abheben. Dies ist frustrierend, zudem ist bei einem jungen Baby der Schwerpunkt aufgrund des relativ großen Kopfes noch auf dem Brustbein und es heben sich eher die Beine als die Arme bei den mühsamen Bewegungsversuchen. Dadurch kommt es zu einer Überstreckung der Rückenmuskulatur.
Monika Aly, Pikler-Dozentin und Kinder-Physiotherapeutin schreibt außerdem in “Mein Baby entdeckt sich und die Welt“: „Wegen der eingeschränkten Beweglichkeit der Beine in Bauchlage werden die Füße ungleichmäßig, überwiegend auf dem Innenrand belastet. Das begünstigt spätere Fußfehlhaltungen, beispielsweise den Knickfuß.“

Bevor das Baby sich vom Rücken auf den Bauch dreht, liegt es auf der Seite. Auch dies ist eine bedeutsame Übergangsposition und sollte nicht außer Acht gelassen werden. Ein Baby das nicht daran gehindert wird, findet auch in der Seitenlage sein Gleichgewicht und kann so bequem spielen und hantieren. Die Auflagefläche am Boden wird um einiges kleiner, das Gleichgewicht wird so bereits geschult.

Wir dürfen unserem Gefühl vertrauen, dass – wenn das Baby sich nicht wohl fühlt in der angeordneten Bauchlage – es dieses „Training“ nicht mitmachen muss.

In der freien Bewegungsentwicklung vertrauen wir darauf, dass das Baby dann, wenn es dazu bereit ist, den Weg in die Bauchlage findet. Dann hat es bereits durch das vorausgegangene Räkeln, Strecken und Drehen des Kopfes und Rumpfes Vorarbeit geleistet und die Muskeln gestärkt. Für den Weg zurück auf den Rücken brauchen die Babies anfangs noch unsere Unterstützung. Dies können wir daran erkennen, dass sie sich nach einiger Zeit in Bauchlage beschweren und zu jammern beginnen. Alleine schaffen sie die Drehung zurück meist noch nicht. Wir können ihnen ankündigen, dass wir sie nun hochnehmen und wieder auf den Rücken legen. Häufig können wir beobachten, dass sie kurz darauf bereits wieder am Bauch liegen. Dann können wir die Zeit, sie zurück auf den Rücken zu holen, sukzessive ausdehnen. Mit dieser immer wieder vom Kind selbst aufgesuchten Position übt und verfeinert es die Drehung und trainiert dabei auch die beteiligten Muskelgruppen.

Im beigefügten Video kann man wunderbar im Zeitraffer sehen, wie Baby Liv diesen Bewegungsablauf verinnerlicht.