Was hat freie und selbstgewählte Aktivität des Kindes mit Selbstregulation zu tun?

Beobachtungen aus dem SpielRaum

V., 12 Monate, krabbelt die schiefe Rampe hinauf, in der linken Hand das kleine Auto. Sie hat bereits eine Technik entwickelt, wie sie krabbelnder Weise kleinere Gegenstände transportieren kann. Die letzten Monate bereits hat sie die Rampe kennengelernt, sich zunächst vorsichtig herangetastet, bis sie es schließlich auch bis nach oben aufs Podest geschafft hat. Sie hat die Höhe abgeschätzt, indem sie mit der Hand den Abstand zum Fußboden abgemessen hat und so ein Bewusstsein für „Oben“ und „Unten“ entwickelt. Immer wieder hat sie diese Aktivität erprobt, verfeinert und ist immer sicherer und gewandter unterwegs. Sie weiß mittlerweile die Dimensionen der Rampe einzuschätzen, kennt die unterschiedlichen Eigenschaften auf der glatten Holzseite und der mit Teppich bespannten gegenüberliegenden Seite, auf der sie hinauf einfacher, hinunter aber erschwert gelangt.

F., 15 Monate, macht seit kurzem seine ersten bedächtigen Schritte. Er weiß genau, was er kann und was er sich zutrauen kann. Wenn es schnell gehen muss, zieht er noch die Fortbewegung auf allen vieren vor. Heute hat es ihm besonders der Dreieckständer angetan. Tastend steigt er einige Sprossen hinauf, bis er sich mit einem kleinen Ball in der Hand, oben gut einhängen kann. Von dort oben genießt er einen besseren Überblick über den Raum und die anderen Kinder. Nach einiger Zeit steigt er wieder herunter und krabbelt flink auf die Rampe. Oben angelangt, legt er eine kurze Pause ein und streckt sich liegend aus. Nach dieser kurzen Pause krabbelt er rasch wieder rückwärts hinunter um erneut die Rampe zum Dreieckständer zu erobern und die Sprossen hinaufzuklettern.

Währenddessen hat V. sich dem Steckspiel zugewandt und einige Ringe auf die Stange aufgefädelt. Das kleine Auto hält sie die ganze Zeit über in ihrer linken Hand. Dann streift ihr Blick das zweite kleine Auto, das am Boden liegt. Sie holt es sich, vergleicht die beiden gleichen Autos, lässt das Auto aber wieder liegen. Sie ist mit dem ersten Auto zufrieden. Die Tür geht auf, und eine Mama mit Kind kommt ein wenig verspätet herein. V. freut sich sichtlich und strahlt die beiden Neuankömmlinge an.

N., 14 Monate, favorisiert in letzter Zeit im SpielRaum vor allem das feinmotorische Spiel. Er ist ausdauernd damit beschäftigt, zu erforschen, welche Gegenstände in die lange schmale Dose hineinpassen, auf welche Art und Weise er die Dinge wieder herausbefördern kann. Er kann hineingreifen und die Gegenstände herausholen. Durch Zufall ist er vor einiger Zeit bereits daraufgekommen, dass die Materialien, wenn er die Dose umdreht, von selbst herauskullern.
Seine Mama erzählt mir, dass er zu Hause bereits einige Schritte herumgeht. Das hat er im SpielRaum bislang noch nicht getan.
Als am Ende der Stunde die Kinder bei der Jause sitzen ist er bereits früher fertig und macht sich auf den Weg, alleine und ungestört einen ruhigen Bereich des Raumes auf beiden Beinen zu erobern.

Selbsteinschätzung: Ich bin jedes Mal wieder fasziniert und erstaunt, mit welcher gesunden Selbsteinschätzung so junge Kinder an Herausforderungen herangehen. N. weiß beispielsweise, dass ihm der Trubel mit anderen Kindern, die ebenfalls noch nicht so lange auf beiden Beinen unterwegs sind, noch zu unsicher ist, und zieht hier die Fortbewegung auf allen Vieren vor. Als er sich dann sicher sein kann, nicht von anderen Kindern bei seinen ersten Schritten gestört zu werden, versucht er diese nunmehr auch im SpielRaum.

Mich berührt immer wieder aufs Neue die betriebsamen Atmosphäre im SpielRaum, wenn die Kinder ihren selbstgestellten Aufgaben nachkommen, probieren, scheitern, vielleicht eine kleine Pause machen, dann wieder weiter probieren und ihr Vorhaben immer besser gelingt.

Selbstregulation: Ebenfalls im SpielRaum wunderbar zu beobachten ist die Fähigkeit der jungen Kinder zur Selbstregulation, indem sie ihrem inneren Impuls folgend zwischen feinmotorischem Spiel, großmotorischer Bewegung (Robben, Krabbeln, Laufen, Klettern, je nach erprobter Fähigkeit) und einer vielleicht notwendigen Ruhepause abwechseln.

Kompetent in Bewegung und Spiel: Wenn wir beobachten und vertrauen, werden wir erkennen, was auch Emmi Pikler erkannte. Ihren Beobachtungen und Forschungen zufolge sind bereits Babies und junge Kinder “Meister“ ihrer Spiel- und Bewegungsentwicklung.
Voraussetzung dafür, dass junge Kinder aktiv werden können, ist einerseits eine liebevolle und beziehungsvolle Fürsorge in Bereichen, in denen sie von uns Erwachsenen abhängig sind, das sind alle pflegerischen Tätigkeiten wie Wickeln, Essen, Baden, Anziehen, Naseputzen, Waschen, Trösten… und andererseits eine sichere, vertraute, anregende Umgebung.